Käthchen rennt
Mit viel Musik, beeindruckenden Bildern und grosser Begeisterung für die Sprache inszeniert Regisseurin Anna Bergmann Heinrich von Kleists Käthchen als rasanten Trip durch die Zeiten. Gemeinsam mit ihrem Team, Lane Schäfer (Kostüm), Sophie Lux (Video) und Alex Gahr (Bühne), sprach sie mit der Produktionsdramaturgin Anna Haas über den unbedingten Glauben an die Liebe, schillernde Doppelwesen und die unaufhaltsame Kraft des Geistes.
Anna Haas: Was fasziniert dich an Kleist, Anna?
Anna Bergmann: Der Fakt, dass jemand in so jungen Jahren, in so einer Sprache so universelle Themen die Menschen betreffend auf Papier bringen konnte. Die gedankliche Schärfe seiner Sätze finde ich nahezu genial. Bei ganz wenigen Autor:innen geht es mir so, dass ich das Gefühl habe, wow, allein diese Texte nur zu hören ist schon ein Kunstwerk. Den Stoff dann tatsächlich auf die Bühne zu bringen, ist eine grosse Herausforderung. Aber ich liebe Herausforderungen und dementsprechend freue ich mich, diese Sprache in Bilder zu übersetzen.
Anna Haas: Mit dem «Käthchen» schuf Kleist einen Gegenentwurf zur «Penthesilea» – sie ist die Kehrseite der Amazone, «ihr andrer Pol, ein Wesen, das ebenso mächtig ist durch gänzliche Hingebung, als jene durch Handeln», schrieb Kleist im Spätherbst 1807 an seine Cousine Marie von Kleist. Wie verstehst du Käthchens unbedingten Glauben? Unterwirft sie sich oder ist das eine grosse Kraft? Ist Käthchen für dich eine emanzipatorische Figur?
Anna Bergmann: Auf jeden Fall ein extrem spannender Charakter. Ein Mädchen, das so wahnsinnig ist vor Liebe, dass sie aus dem Fenster springt und dem Wetter vom Strahl überallhin folgt. Unbeirrbar glaubt sie an ihre Träume und Visionen, das Übersinnliche und ihre innere Wahrheit. Für ihre Überzeugung läuft sie sich die Füsse blutig und geht sogar durchs Feuer. Sie ist kraftvoll und aktiv, geht mit starker Selbstermächtigung durchs Leben – einerseits, andererseits lässt sie sich in vollem Bewusstsein erniedrigen. Diese Gratwanderung interessiert mich. Zugleich hat Kleist eine Antagonistin entworfen, die ihr absolutes Gegenteil verkörpert: Kunigunde von Thurneck. Eine Frau, die sich dem Künstlichen, der Verfremdung, der Lüge, den dunklen Mächten verschrieben hat. Dass diese beiden Pole in dem Stück aufeinandertreffen, aber keine Szene miteinander haben, finde ich inspirierend. Dieser möglichen Begegnung möchte ich auf die Spur kommen. Die Frauen – auch Kunigunde von Thurneck – wissen sehr klar, was sie wollen.
Lane Schäfer: Mich hat Kunigunde am allermeisten fasziniert. Wegen der ausgelegten, aber nicht auserzählten Fährten, die Kleist gelegt hat. Sie ist offenbar ein Puzzle ist aus verschiedenen Frauenkörpern. Als Käthchen sie in der Gotte entdeckt, offenbart sie eine Monstrosität, die Kleist nicht komplett auflöst. Und genau dieses Rätselhafte interessiert mich. Was für eine Symbiose verbindet Kunigunde mit ihrer Zofe Rosalie? Daher interpretieren wir die beiden als Doppelwesen.
Anna Bergmann: Der Kontrast ihrer unglaublichen Schönheit und ihrem Jugendwahn und ihrer inneren Schwärze inklusive der Bereitschaft zu töten hat uns begeistert. Rosalie wird in unserer Inszenierung zur jüngeren Verkörperung von Kunigunde. Wir haben zwei Kunigundes: Die ursprüngliche Kunigunde, die sich aus dem Körper der Jüngeren zehrt und gestaltet, und die Jüngere, die sich immer weiter von der alten Kunigunde emanzipiert. Die eine entsteht aus der anderen, aber beide können nur in Symbiose miteinander existieren.
Anna Haas: Was interessiert dich als Videokünstlerin an Kleists Stück?
Sophie Lux: Visuell interessiert mich das Genre. Die Romantik und die Weimarer Klassik. Da gibt es einerseits den Märchenstoff, Kleist nennt es ein Ritterspiel, anderseits klassische Eckpunkte und Codes der Romantik, die Beschreibung der Natur und der Elemente, und der Mensch in der Natur. Käthchen steht dabei im Zentrum. Wir werden die Videos in der Natur in der Umgebung von St.Gallen drehen.
Anna Haas: Wann und wo siedelt ihr die Inszenierung an?
Anna Bergmann: Überall und über alle Zeiten hinweg. Um die zeitlose Universalität dieser grossen Liebesgeschichte erlebbar zu machen, begeben wir uns mit Käthchen auf eine Reise durch die Jahrhunderte bis heute. Käthchen rennt. Sie ist in ständiger Bewegung. Auf der Drehscheibe läuft sie durch die Zeiten und kann in ihrem bedingungslosen Glauben an die Liebe von nichts und niemand aufgehalten werden.
Anna Bergmann: Der Fakt, dass jemand in so jungen Jahren, in so einer Sprache so universelle Themen die Menschen betreffend auf Papier bringen konnte. Die gedankliche Schärfe seiner Sätze finde ich nahezu genial. Bei ganz wenigen Autor:innen geht es mir so, dass ich das Gefühl habe, wow, allein diese Texte nur zu hören ist schon ein Kunstwerk. Den Stoff dann tatsächlich auf die Bühne zu bringen, ist eine grosse Herausforderung. Aber ich liebe Herausforderungen und dementsprechend freue ich mich, diese Sprache in Bilder zu übersetzen.
Anna Haas: Mit dem «Käthchen» schuf Kleist einen Gegenentwurf zur «Penthesilea» – sie ist die Kehrseite der Amazone, «ihr andrer Pol, ein Wesen, das ebenso mächtig ist durch gänzliche Hingebung, als jene durch Handeln», schrieb Kleist im Spätherbst 1807 an seine Cousine Marie von Kleist. Wie verstehst du Käthchens unbedingten Glauben? Unterwirft sie sich oder ist das eine grosse Kraft? Ist Käthchen für dich eine emanzipatorische Figur?
Anna Bergmann: Auf jeden Fall ein extrem spannender Charakter. Ein Mädchen, das so wahnsinnig ist vor Liebe, dass sie aus dem Fenster springt und dem Wetter vom Strahl überallhin folgt. Unbeirrbar glaubt sie an ihre Träume und Visionen, das Übersinnliche und ihre innere Wahrheit. Für ihre Überzeugung läuft sie sich die Füsse blutig und geht sogar durchs Feuer. Sie ist kraftvoll und aktiv, geht mit starker Selbstermächtigung durchs Leben – einerseits, andererseits lässt sie sich in vollem Bewusstsein erniedrigen. Diese Gratwanderung interessiert mich. Zugleich hat Kleist eine Antagonistin entworfen, die ihr absolutes Gegenteil verkörpert: Kunigunde von Thurneck. Eine Frau, die sich dem Künstlichen, der Verfremdung, der Lüge, den dunklen Mächten verschrieben hat. Dass diese beiden Pole in dem Stück aufeinandertreffen, aber keine Szene miteinander haben, finde ich inspirierend. Dieser möglichen Begegnung möchte ich auf die Spur kommen. Die Frauen – auch Kunigunde von Thurneck – wissen sehr klar, was sie wollen.
Lane Schäfer: Mich hat Kunigunde am allermeisten fasziniert. Wegen der ausgelegten, aber nicht auserzählten Fährten, die Kleist gelegt hat. Sie ist offenbar ein Puzzle ist aus verschiedenen Frauenkörpern. Als Käthchen sie in der Gotte entdeckt, offenbart sie eine Monstrosität, die Kleist nicht komplett auflöst. Und genau dieses Rätselhafte interessiert mich. Was für eine Symbiose verbindet Kunigunde mit ihrer Zofe Rosalie? Daher interpretieren wir die beiden als Doppelwesen.
Anna Bergmann: Der Kontrast ihrer unglaublichen Schönheit und ihrem Jugendwahn und ihrer inneren Schwärze inklusive der Bereitschaft zu töten hat uns begeistert. Rosalie wird in unserer Inszenierung zur jüngeren Verkörperung von Kunigunde. Wir haben zwei Kunigundes: Die ursprüngliche Kunigunde, die sich aus dem Körper der Jüngeren zehrt und gestaltet, und die Jüngere, die sich immer weiter von der alten Kunigunde emanzipiert. Die eine entsteht aus der anderen, aber beide können nur in Symbiose miteinander existieren.
Anna Haas: Was interessiert dich als Videokünstlerin an Kleists Stück?
Sophie Lux: Visuell interessiert mich das Genre. Die Romantik und die Weimarer Klassik. Da gibt es einerseits den Märchenstoff, Kleist nennt es ein Ritterspiel, anderseits klassische Eckpunkte und Codes der Romantik, die Beschreibung der Natur und der Elemente, und der Mensch in der Natur. Käthchen steht dabei im Zentrum. Wir werden die Videos in der Natur in der Umgebung von St.Gallen drehen.
Anna Haas: Wann und wo siedelt ihr die Inszenierung an?
Anna Bergmann: Überall und über alle Zeiten hinweg. Um die zeitlose Universalität dieser grossen Liebesgeschichte erlebbar zu machen, begeben wir uns mit Käthchen auf eine Reise durch die Jahrhunderte bis heute. Käthchen rennt. Sie ist in ständiger Bewegung. Auf der Drehscheibe läuft sie durch die Zeiten und kann in ihrem bedingungslosen Glauben an die Liebe von nichts und niemand aufgehalten werden.

Bühnenbildentwurf von Alex Gahr

Figurine von Lane Schäfer
Lane Schäfer: Das Motiv des Traums spielt eine grosse Rolle. Käthchen und Wetter vom Strahl sind einander bereits im Traum begegnet. In diesem Sinne sind auch die einzelnen Epochen, die wir in der Bildsprache zitieren, assoziativ wie in einer Traumlogik zu begreifen und keine historisch korrekten Abbildungen. Angefangen in der Ritterzeit, im düsteren mittelalterlichen Märchenzeitalter mit Rittern, Burgfräulein und Femegericht, der Zeit, in der Kleist die Handlung des Stückes angelegt hat, geht es in die Ästhetik des Barock, mit weisser Haut, hohen Perücken und überformten Kleidern. Dann geht es weiter über den Art-déco-Stil bis in die Gegenwart.
Anna Bergmann: In jeder Zeit wurden andere Schönheitsideale sowohl aus männlicher als auch aus weiblicher Sicht praktiziert. Um das sinnlich erfahrbar zu machen, bieten die Zeitsprünge einen tollen Raum.
Anna Haas: Was für einen Raum hast du geschaffen, Alex?
Alex Gahr: Die Bühne ist eine abstrakte Traumwelt – immer in Bewegung. Wie Planeten kreisen verschiedene Drehelemente umeinander. Im Raum erhebt sich eine skulpturale Landschaft. Die zeitlose Architektur wird zum Schloss, zur Festtreppe, zum Gebirge, zum Schlachtfeld, zur Grotte, zum Innenraum, zur freien Fläche. Alle Situationen entstehen aus einer präzise konstruierten geometrischen Figur. Die Bühnenskulptur ist ein Triebwerk, das die Handlung vorantreibt.
Sophie Lux: Nicht nur die Bühne, auch die Videos zeigen Käthchen in ständiger Bewegung. Käthchen rennt durch Landschaften, Wetter, Elemente. Jede Epoche hat in den Videos einen eigenen Aggregatzustand: Wald und Erde im Mittelalter, Eis und Schnee im Barock, in der Romantik geht sie durchs Feuer, im Art-déco-Stil ist es das Wasser.
Anna Haas: Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit sind in Kleists grossem historischen Ritterspiel aufgehoben. Nichts ist, wie es scheint. Wie seht ihr die überirdische Dimension?
Lane Schäfer: Der Engel, der Käthchen den Weg weist, hat bei uns keine Flügel, aber ein Kostüm aus Licht, er ist ein reines Lichtwesen, eine tranzendente Figur.
Anna Bergmann: Ich glaube immer daran, wenn man eine Entscheidung trifft oder eine Vision hat für sein Leben, und stark daran glaubt, dass diese Dinge dann tatsächlich auch Realität werden. Das ist die Kraft des Geistes, die Käthchen für mich verkörpert.
Anna Bergmann: In jeder Zeit wurden andere Schönheitsideale sowohl aus männlicher als auch aus weiblicher Sicht praktiziert. Um das sinnlich erfahrbar zu machen, bieten die Zeitsprünge einen tollen Raum.
Anna Haas: Was für einen Raum hast du geschaffen, Alex?
Alex Gahr: Die Bühne ist eine abstrakte Traumwelt – immer in Bewegung. Wie Planeten kreisen verschiedene Drehelemente umeinander. Im Raum erhebt sich eine skulpturale Landschaft. Die zeitlose Architektur wird zum Schloss, zur Festtreppe, zum Gebirge, zum Schlachtfeld, zur Grotte, zum Innenraum, zur freien Fläche. Alle Situationen entstehen aus einer präzise konstruierten geometrischen Figur. Die Bühnenskulptur ist ein Triebwerk, das die Handlung vorantreibt.
Sophie Lux: Nicht nur die Bühne, auch die Videos zeigen Käthchen in ständiger Bewegung. Käthchen rennt durch Landschaften, Wetter, Elemente. Jede Epoche hat in den Videos einen eigenen Aggregatzustand: Wald und Erde im Mittelalter, Eis und Schnee im Barock, in der Romantik geht sie durchs Feuer, im Art-déco-Stil ist es das Wasser.
Anna Haas: Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit sind in Kleists grossem historischen Ritterspiel aufgehoben. Nichts ist, wie es scheint. Wie seht ihr die überirdische Dimension?
Lane Schäfer: Der Engel, der Käthchen den Weg weist, hat bei uns keine Flügel, aber ein Kostüm aus Licht, er ist ein reines Lichtwesen, eine tranzendente Figur.
Anna Bergmann: Ich glaube immer daran, wenn man eine Entscheidung trifft oder eine Vision hat für sein Leben, und stark daran glaubt, dass diese Dinge dann tatsächlich auch Realität werden. Das ist die Kraft des Geistes, die Käthchen für mich verkörpert.

Figurine von Lane Schäfer