Träume, Tanz und Dramaturgie

Was macht eigentlich ein Dramaturg, eine Dramaturgin am Theater genau – vor allem dann, wenn es gar keinen Text als Vorlage gibt, wie im Tanz? Gemeinsam mit Dramaturg Gregor Acuña-Pohl, der an der aktuellen Neukreation Please, Let Me Dream von Bryan Arias mitgewirkt hat, nehmen wir euch mit auf eine Reise hinter die Kulissen einer Tanzproduktion. Zwischen der Entwicklung von Bewegungsmaterial, choreografischer Arbeit und kompositorischen Entscheidungen werfen wir einen Blick darauf, wie im Tanz Bedeutung entsteht – und welche Rolle Dramaturgie dabei spielt.
Dramaturgie Café mit Gregor Acuña-Pohl & Lisa Leopold
Gregor Acuña-Pohl kommt ursprünglich aus dem Schauspiel und der Theaterregie, bevor er sich dem Tanz zuwandte. Dort versteht er sich als Teil des künstlerischen Teams – vergleichbar mit Licht, Bühne oder Musik – und als jemand, der hilft, ein Stück weiterzuentwickeln und wachsen zu lassen. Im Tanz geschieht dieses «Schreiben» ohne Worte: mit Situationen, Bewegungen, Bildern und Symbolen. Dramaturgie bedeutet für ihn, dem choreografischen Konzept eine Form zu geben, die für das Publikum erfahrbar und nachvollziehbar bleibt.

In Please, Let Me Dream arbeitet Gregor gemeinsam mit Choreograf Bryan Arias an einer bewusst offenen, traumartigen Struktur. Das Stück entfaltet sich als Abfolge unterschiedlicher Szenen und Atmosphären – wie Fragmente einer inneren Landschaft. Jede Szene steht für sich und ist zugleich Teil eines grösseren Zusammenhangs. Die dramaturgische Herausforderung liegt dabei darin, eine Kohärenz herzustellen, ohne die Offenheit zu schliessen: konkret genug, um Orientierung zu geben, und offen genug, damit sich das Publikum frei assoziierend darin bewegen kann.

Dramaturgische Arbeit, so Gregor, ist stark vom richtigen Moment abhängig. Zu wissen, wann eine Beobachtung hilfreich ist – und wann Zurückhaltung dem Prozess mehr dient – gehört zu den schwierigsten Aspekten des Berufs. Dramaturgie lasse sich nicht nach festen Regeln erlernen, sondern wachse mit Erfahrung, Vertrauen und Beziehung. Entscheidend sei letztlich ein einfaches Kriterium: Ob das, was man einbringt, dem Stück und dem choreografischen Prozess tatsächlich hilft oder mehr dem Wunsch nachgeht seine eigene Meinung äussern zu wollen. Das muss man sich immer wieder Fragen.

Genau diese Haltung prägt auch Please, Let Me Dream – ein Stück, das weniger Antworten gibt, als Räume öffnet, in denen Bedeutungen entstehen dürfen.

Für Dramaturgie im Tanz gibt es viele Beschreibungen und ebenso viele Arbeitsweisen – entsprechend vielfältig sind Praxis und Forschung, etwa im Projekt Doing Dramaturgy der freischaffenden Schweizer Tanzdramaturgin Mona De Weerdt. Gleichzeitig lassen sich zentrale Gemeinsamkeiten erkennen.

Dramaturgie wird im Tanz oft als Brücke zwischen Künstler:innen, Werk und Publikum verstanden. Dramaturg:innen agieren dabei weniger als Erklärende, sondern als aufmerksame Wahrnehmende: Sie begleiten Prozesse, stellen Fragen, machen Zusammenhänge sichtbar und helfen, künstlerische Arbeit zu strukturieren. Der oft zitierte «Aussenblick» meint dabei keine Objektivität – die eigene Perspektive und Erfahrung fliessen immer mit ein.

Im Gespräch mit Gregor Acuña-Pohl gehen wir zunächst dem Begriff und Verständnis von Dramaturgie im Spanischen nach. Dort wird zwischen Dramaturgo/Dramaturga unterschieden – eher als Kreator:in oder Autor:in eines Textes oder einer Adaption – und Dramaturgista, einer Rolle, die stärker in Recherche und Kommunikation eingebunden ist und oft auch journalistische Züge annimmt. Letztere entspricht jener Arbeitsweise, die wir hier häufig in der Tanzdramaturgie beobachten.