Von Burgen, Sagen und Mythen

Jeder kennt den Rhein, und die meisten von uns wissen zumindest ungefähr, was die Romantik ist. Doch was bedeutet Romantik genau? Was hat sie mit dem Rhein zu tun und wo finden wir die Romantik in der Musik? Diese Fragen soll der folgende Blog-Beitrag beantworten.
Was bedeutet eigentlich Romantik?

Der Begriff Romantik geht auf die lingua romana, die Sprache des «einfachen Volkes» zurück, als Gegensatz zur lingua latina, die Sprache der Gelehrten. Mit der lingua romana sollte eine Volksverbundenheit und eine Nähe zur Natur betont werden. Gleichzeitig versuchte man sich von der Klassik, also der lateinischen oder griechischen Tragödie abzugrenzen. Künstler der Romantik grenzten sich sogar von den herausragendsten Literaten der vorigen Generation, wie etwa Schiller oder Goethe ab. Goethe selbst urteilte wiederum über die Romantik: «Das Klassische nenne ich das Gesunde und das Romantische das Kranke.»
Die Romantiker jedoch wollten etwas anderes: nicht zurück nach Rom oder Griechenland, sondern hinein in die eigene Geschichte, in Volksmythen, in die Natur – und für viele deutschsprachige Künstler führte dieser Weg direkt an den Rhein.

Die zentralen Themen der Romantik sind:

  • Naturverbundenheit
  • Sehnsucht und Liebe
  • Einsamkeit und Innerlichkeit
  • Flucht aus der Realität
  • das Unheimliche und Mystische

Immer wieder wird Caspar David Friedrichs Gemälde «Der Wanderer» zum Sinnbild der Romantik erklärt. Ein einsamer Wanderer mit zerzaustem Haar über einer zerklüfteten Landschaft, die vom Nebel verhüllt ist. So vereint das Gemälde die Naturverbundenheit, die Einsamkeit, die Flucht aus der Stadt und das Mystische.
Für die Deutschsprachige Romantik ist die Rheingegend von besonderer Bedeutung. Einerseits durchfliesst der fast das ganze deutschsprachige Gebiet, andererseits bietet er spektakuläre Naturschauspiele. Hinzu kommt eine Vielzahl an mittelalterlichen Burgen, Sagen und Mythen, z.B. die Sage um die Loreley oder das Nibelungenlied.
Caspar David Friedrich: Der Wanderer über dem Nebelmeer (1818)

Die Romantik in der Musik: Beethoven, Schumann, Bruch

Ludwig van Beethoven: Ouvertüre III zu Leonore op. 72b
Willibrord Joseph Mäher: Ludwig van Beethoven (1815)
Ludwig van Beethoven, der am Rhein geboren wurde, stellt einen musikhistorischen Problemfall dar: einerseits bildet er zusammen mit Haydn und Mozart das Dreigestirn der Wiener Klassik, andererseits sehen einige in ihm bereits einen Romantiker.
Die Ouvertüre zu Leonore bzw. Fidelio zeigt ihn von seiner romantischen Seite. Dies liegt zunächst am Sujet der gesamten Oper: Die unerschütterliche Liebe der Leonore zu ihrem Florestan, die Auflehnung gegen die Obrigkeit und nicht zuletzt die deutsche Sprache der Oper.
Die Ouvertüre bietet in musikalischer Hinsicht eine Reihe romantischer Elemente. Sie beginnt mit einem machtvollen Akkord, der von einer innigen, zarten Tonleiter gefolgt wird. Von nun an herrschen düstere Klänge vor, die das Dunkel des Kerkers nachzeichnen. Bis hin zur Mitte wird die Ouvertüre immer dramatischer und leidenschaftlicher, bis plötzlich – wie aus dem Nichts – ein Trompetensignal erklingt, das Zeichen der Rettung! Von da an herrscht überschwängliche Stimmung mit jubelnden Melodien und freudigen Rhythmen.
Max Bruch: Violinkonzert g-Moll op. 26
Max Bruch (1913)
Seinen kompositorischen Durchbruch hatte Max Bruch am und mit dem Rhein, als 1862 in Mannheim seine Oper Die Loreley uraufgeführt wurde. Zwei Jahre später, ebenfalls am Rhein in Koblenz, begann er mit der Komposition seines Violinkonzerts in g-Moll. Bis heute ist der Name Bruch untrennbar mit diesem Konzert verbunden. Für den Komponisten war und ist dies Fluch und Segen zugleich: einerseits ging er mit seinem Violinkonzert in die Musikgeschichte ein, andererseits sind die meisten seiner anderen Werke kaum bekannt. Dabei war er zu Lebzeiten so berühmt wie Johannes Brahms.
Der Beginn des Konzerts erinnert an das Gemälde von Caspar David Friedrich. Einsam und gedankenversunken erklingt die Violine über einem dunklen Orchestergrund. Ähnlich einer Improvisation folgt die Solistin einzelgängerisch ihrer Fantasie.
Der zweite Satz, die Romanze, ist ein Idealbeispiel romantischer Liedhaftigkeit. Innig und mit der Eingänglichkeit eines Volkslieds erklingt eine schlichte Melodie, die Bruch von seiner empfindsamsten Seite zeigt.

Robert Schumann: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 Rheinische
Robert Schumann (Daguerreotypie, 1850)
Der Jubel war gross als Robert Schumann mit seiner Familie 1850 in Düsseldorf eintraf. Der designierte städtische Musikdirektor wurde mit allen Ehren empfangen und gefeiert. Beeindruckt von diesem herzlichen Empfang und inspiriert durch die rheinische Frohnatur verfasste er sogleich seine 3. Sinfonie, genannt Rheinische. Allerdings währte das Glück nicht lange: Er hatte Schwierigkeiten mit den Mitgliedern des Chors und des Orchesters und seine psychische Gesundheit litt unter den Umständen schwer. Es kam zu einem Suizidversuch, bei dem er sich in die Fluten des Rheins stürzen wollte, aber glücklicherweise gerettet werden konnte.
Nichtsdestotrotz erklingt die Rheinische wie eine erfrischende, musikalische Euphorie, gemischt mit einer Portion Ehrfurcht. Ehrfurcht z.B. vor dem Kölner Dom, den Schumann besichtigt hatte und dem er im vierten Satz ein musikalisches Denkmal setzt. Ursprünglich lautete der Titel des Satzes: «Im Charakter einer feierlichen Cerenomie».
Wie ein majestätischer Choral erklingt der vierte Satz mit gravitätischen Vierteln und einer polyphonen Struktur, die an barocke Meister wie Bach oder Corelli erinnert und die Hommage an vergangene Tage verstärkt.
Clara Schumann hatte jedoch ihre Schwierigkeiten mit der Komplexität des Satzes: «Der vierte ist äußerst kunstvoll… doch kann ich nicht so recht folgen.»
Umso eingänglicher ist der fünfte Satz, ein beschwingtes Finale, das von zwei Themen bestimmt ist: eine schwungvolle Melodie und ein filigranes Staccato-Motiv. Unerwartete Akzente verleihen dem Finale eine rustikale Note – ein wahrer «Rausschmeisser» in Rheinischer Fröhlichkeit.